Brot und Spiele: wie Agenda Setting auch die Krim-Krise beeinflusst

«Never believe in mirrors or newspapers.» – John Osborne

Stumpft übermässiger Medienkonsum ab? Diese These könnte durchaus plausibel klingen, v.a. wenn man erfährt, dass, wie das SRF es nennt, der «Fukushima-Effekt verpufft».

Quelle: srf.ch
«Der Fukushima-Effekt ist verpufft.», Quelle: srf.ch

Es stellt sich daher die Frage, ob

a) übermässiger Medienkonsum zur «Verwässerung» von Content und dessen Wahrnehmung führt oder ob

b) es sich um klassisches Agenda Setting handelt, bei dem Medien steuern, worüber und in welcher Ausprägung «gedacht» werden soll.

Wie bereits in einem meiner früheren Beiträge erwähnt, nimmt die Rolle des Gatekeepers auch mit steigender Medien- und Content-Vielfalt an Wichtigkeit zu. Eines meiner Feld-Forschungsthemen befasst sich damit, welche Rolle die Menge an Content bei der bewussten Wahrnehmung und Speicherung dieser Inhalte spielt (Anm.: als Beispiel wurde die Frage gestellt, ob redaktionelle Inhalte, Text und/oder Bilder, die Wahrnehmung einer Werbeanzeige beeinflussen können und ob Fremd-Werbung, egal ob von der Konkurrenz oder eines «neutralen» Produktes, einen negativen Einfluss auf die Botschaft eines anderen Werbetreibenden haben kann). Kann also die Menge, egal ob positiv, neutral oder negativ empfunder Inhalte, die bewusste Wahrnehmung und Reflexion von Botschaften, die erst ab einer Speicherung der Inhalte möglich wird, beeinflussen? Viele Anzeichen sprechen dafür.

Unsere «Festplatte» ist nur für eine gewisse Menge an Botschaften pro Tag empfänglich. Wahrnehmunsfilter sorgen zum Glück dafür, dass Sinn und Unsinn schnell sortiert werden können. Diese Filter sind aber auch flexibel, je nach Modus Operandi des Besitzers, frei nach dem Motto «was habe ich davon?». Die Wertehaltung, sei sie ökonomisch oder moralisch bedingt, ist so vielfältig, wie es Individuen gibt, und spielt bei der Erinnerung von Botschaften eine grosse Rolle.

Also: wir können pro Tag nur eine gewisse Menge an Botschaften verarbeiten. Diese Botschaften passieren einen Wahrnehmungsfilter. Dieser Filter ist nicht starr, sondern passt sich je nach Situation an.

So betrachtet könnte man behaupten, dass Contentfluten aus unzähligen Kanälen dafür sorgen, dass unser Hirn ständig mit der Aufgabe beschäftigt ist, Relevantes von Irrelevantem zu trennen. Wenn aber bekannt ist, dass die Relevanz eines Inhaltes durchaus «fremdgesteuert» werden kann, dann erstaunt das Ergebnis der og. GfS Studie nicht: aus den Augen (ergo aus den Medien!), aus dem Sinn!

Neues zu jedem Preis? Beängstigend wird es, wenn aus dem (bewussten) Weglassen von Informationen, Platz für bewusst zu verbreitenden Informationen geschaffen wird (Gatekeeping). Klassisches Media Agenda Setting und im Weiteren bewusstes Framing sind Techniken, die dazu führen, dass u.a. die Krim-Krise zur Krise werden kann. Oder haben sich in der Zwischenzeit das Darfurproblem, die Besetzung der Golan-Höhe, der Guantanamo-Skandal, die NSA Affäre, die Hungerplagen weltweit etc. von selbst gelöst? Nur weil kein «Interesse» in der Berichterstattung besteht, sind diese Probleme aus der Welt geschaffen?

Problematischer wird es umsomehr, wenn Regierungen und/oder Konzerne ein Monopol für das Filtern von Informationen und Daten, so wie von Finnemann 1999 beschrieben, besitzen. So betrachtet, kann das Business-Modell von Google etc. dann auch als Propaganda (Anm.: der Wortstamm ähnelt dem italienischen Begriff für «der oder die für etwas Zahlende (Entität)») bezeichnet werden.

Wenn man zudem sieht, dass Lobbyisten nicht nur in Bundesbern aktiv Botschaften «propagieren» (also ein Agenda Setting und Framing betreiben), dann fragt man sich, ob der Medien-Konsument noch eine echte eigene Meinung besitzt oder diese nicht schon im Vorfeld dem Interesse des Verbreiters entsprechend gefiltert wurde – bewusst oder unbewusst.

­«Populum Romanum duabus praecipue rebus, annona et spectaculis, teneri» oder sinngemäss «…Brot und Spiele, um das (römische) Volk bei Laune zu halten», wirkt nur solange, bis der Konsument inne hält, reflektiert, Medien verweigert und dadurch die Gelegenheit hat, Aufzudecken, was andere lieber verstecken wollen.

 

 

 

 

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